Multitasking? – Ich bin doch keine Maschine!

In diesem Artikel geht es darum, warum sequentielles Arbeiten dem agilen Gedanken entspricht.

An einem schönen Tag im Büro: Man sitzt am Schreibtisch und schaut aus dem Fenster. Man denkt an nichts Böses, z.B. an den Feierabend und plötzlich kommt der Chef ohne zu Klopfen ins Büro und sagt: „Herr Müller, wir müssen bis heute Abend das Angebot für den Kunden A fertigbekommen. Und die neue Anfrage vom Kunden B, die heute eingetroffen ist, muss bis heute Abend auch erledigt werden“.  Du hängst gedanklich noch an dem Wort „wir“. Seit wann arbeitet der Chef denn mit? Haltest aber inne um den Friedenswillen und sagst zu dem Thema „WIR“ nichts. Du machst dir Gedanken, wie du das alles schaffen sollst. Bevor der Chef wieder aus dem Büro stürmen kann, fragen du ihm, welche der beiden Aufgaben wichtiger sei. Und rate mal, welche Antwort jetzt kommt!? Die kennt bestimmt jeder. Der Chef antwortet: „Beide Themen haben Prio 1!“.

In deinem Kopf kreisen viele Gedanken und du versuchst die Situation zu bewerten. Folgende Möglichkeiten hast du:

  • Am aktuellen Thema weiterarbeiten und die neuen Themen auf die do-to-Liste setzen.
  • Heimgehen und das schöne Wetter genießen, da beide Aufgaben sowieso nicht bis abends erledigt werden können.
  • Beide Aufgaben gleichzeitig angehen und versuchen bis in die späten Abendstunden einigermaßen beides fertig zu bekommen (auf gut Deutsch: es wird nichts fertig).
  • Du wägst ab, welches Thema wirklich wichtiger ist und beginnst dieses Thema und arbeitest solange daran, bis es wirklich fertig ist und beginnen dann das zweite Thema. Somit hätte man einen Punkt abgeschlossen und das zweite Angebot wäre ggf. nicht fertig.

Oft wird das Zauberwort Multitasking zur Hilfe genommen.

Die Idee, man macht einfach beide Themen gleichzeitig. Für dich doch gar kein Problem. Du atmest tief durch und holst dir noch schnell eine Tasse Kaffee. Und jetzt kann es los gehen. In diesem Augenblick klingelt das Telefon und du gehst schnell ran. Nach einem netten Gespräch mit der Sekretärin am Telefon kann es wirklich losgehen. In der ersten Stunde bearbeitest du das erste Angebot und switchst dann auf das zweite Angebot um. Irgendwann in der zweiten Stunden ploppt dein Outlook auf und ein Kollege benötigt dringend eine Information. Da du ein netter Zeitgenosse bist, antwortest du ihm sofort und dabei musst du deine eigentliche Arbeit unterbrechen.  Aber jetzt kann es weiter gehen. Äh, wo warst du gleich wieder stehen geblieben? Mh …. Ach, genau, jetzt weißt du es wieder. Jetzt kann es wirklich wieder weiter gehen. Das geht so den ganzen Tag. Du wechselst von der einen Aufgabe im Stundentakt zur nächsten und lässt dich von kleinen und großen Unterbrechungen ablenken. Man ist in unserer heutigen Zeit ja multitaskingfähig!

Das Ergebnis

Am Abend kommt der Chef von einem Geschäftsessen gut gesättigt und erholt in dein Büro und erkundigt sich nach dem Stand der Angebote. Wie du befürchtest hast, ist kein Angebot fertig. Zur Verteidigung kommt die Aussage, es sind beide fast fertig. Leider kann ein fast fertiges Angebot dem Kunden nicht vorgelegt werden. Und somit muss dein Chef beide Kunden auf dem nächsten Tag vertrösten. Die Taktik mit dem Multitastking ist leider nicht ganz aufgegangen. Und der Chef? Das gute Geschäftsessen schlägt ihm jetzt doch auf den Magen.

Der zweite Versuch

Eine Woche später befindest du dich wieder einmal in der gleichen Situation. Draußen ist es schön, der Chef kommt rein und gibt dir zwei Prio 1 Themen, welche bis heute Abend abgeschlossen werden sollen. Es gibt bestimmt jetzt Mitarbeiter, welche wieder die gleiche Taktik verwenden würden. Wenn du aber das letzte Mal Revue passieren lässt, stellst du fest, dass es nicht funktioniert hat. Also setzt du eine andere Strategie ein. Du entscheidest dich, welche Aufgabe wichtiger ist und beginnest mit dieser. Diese Aufgabe bearbeitest du solange, bis diese fertig ist (hier sollte man eventuell das Pareto Prinzip – 80% reichen meist – im Auge behalten). Nach Abschluss der Aufgabe, beginnest du mit dem zweiten Angebot. Diesmal lässt du dich den ganzen Tag nicht ablenken und schließt dein Outlook und stellst das Telefon bzw. in der heutigen modernen Welt dein Smartphone auf lautlos. Man könnte jetzt davon ausgehen, dass das erste Angebot fertig wird und das zweite nicht. Aber somit könntest du zumindest einen Kunden befriedigen. Am Abend kommt der Chef in das Büro und erkundigt sich nach dem Stand der Angebote. Er kann das gehörte kaum glauben, wie du selbst auch. Beide Angebote sind fertig geworden!

Einige von euch kennen sicherlich die Situation, dass man nicht nur in einem Projekt arbeitet. Man sitzt mit 40 % im Projekt A, 30 % Prozent im Projekt B und die restlichen „50 %“ im Projekt C.  Somit springt man genauso zwischen den Themen hin und her. 

Was ist passiert?

Ist Multitasking doch nicht die Wunderwaffe? Machen wir einen kleinen Versuch (von Jeff Sutherland).

Nehme eine Stoppuhr, einen Stift und ein Blatt Papier. Deine erste Aufgabe ist es, die Zahlen 1 bis 10 in drei verschiedenen Arten hinzuschreiben. Die erste Art ist die uns bekannte normale Schreibweise der Zahlen 1 bis 10. Die zweite Variante ist die römische Schreibweise I bis X und die dritte Variante sind die Buchstaben a bis j. Jede dieser Variante steht in einer eigenen Zeile und die der Arten stehen untereinander. Im Prinzip wäre das das Multitasking-Arbeiten.

Also starte deine Stoppuhr und schreibe abwechselnd jede Zahl in den drei Varianten und dann gehst du zur nächsten Zahl:

Wenn du beim letzten Zeichen angekommen bist stoppe die Uhr. Ich gehe davon aus, dass du mehr als 30 Sekunden benötigt hast.

Starte jetzt den zweiten Durchgang. Diesmal schreibst du die Zahlen 1 bis 10 und wenn du damit fertig bist, machst du die zweite Zeile und dann die dritte Zeile. Man könnte es sequenzielles Abarbeiten nennen. Und nicht vergessen, du musst die Zeit wieder stoppen.

Und wie lange hast du gebraucht? Ich gehe davon aus, dass die Zeit kleiner 30 Sekunden ist.

Das gleiche Ergebnis in kürzerer Zeit.

So geht es sicherlich vielen Menschen und nicht nur im beruflichen, sondern auch im privaten Umfeld. Die Frau gibt dem Mann eine Liste mit vielen Themen, wie zum Beispiel Einkaufen gehen, Rasen mähen, den Müll rausbringen, usw.  Letztendlich schaffst du mehr Arbeit in der gleichen Zeit, wenn du die To-dos sequentiell abarbeitest.

Fazit

In unseren PCs haben wir Multiprozessoren (mehrere Kerne). Damit können mehrere Aufgaben gleichzeitig erfüllt werden. Jeder Kern bekommt idealerweise einen eigenen Prozess, den er bearbeiten kann. Es ist naheliegend, dass dies auch beim Menschen gehen kann. Hier fällt mir der Song von Tim Bendzko – „Keine Maschine“ ein. Der Mensch hat letztendlich nur ein Gehirn und ist damit befähigt, konzentriert eine Aufgabe zu machen. Ich sehe jetzt mal von den ganzen nebenläufigen Prozessen wie Atmen, Bewegungen und Co. ab. Sobald man eine weitere Aufgabe „parallel“ machen will, muss das Gehirn immer wieder zwischen den Aufgaben hin und her switchen und man verliert an Zeit und damit sinkt die Effizienz.

Einer der Leitaspekte im Lean und im agilen Umfeld ist der Spruch: „Stop starting – Start finishing!“.

Hier unterstützt auch das SCRUM- bzw. das KANBAN-Board. Dort sieht man auf einen Blick, an wie viele Aufgaben der Mitarbeiter aktuell arbeitet. Neumodisch sagt man auch „Work in Process“ kurz WIP. Die Anzahl der gelichzeitigen Aktivitäten sollte stark beschränkt sein, idealerweise auf eine Tätigkeit / Arbeitstakt.

In diesem Sinne habe ich diesen Eintrag fertig und mache mich jetzt an den nächsten Artikel.