In diesem Artikel geht es darum, wie du erkennst, dass Fehler nichts Negatives sind und wie du dieses Mindset auch im Team etablieren kannst.
Es gibt Wörter, bei denen sich die meisten einig sind, dass
sie positive Gefühle auslösen. Ein solches Wort ist z.B. „Urlaub“. Sofort denkt
man an Sommer, Sonne, Strand und Sorglosigkeit – wiederum alles Wörter, mit
denen die meisten positive Assoziationen verknüpfen.
Daneben gibt es Begriffe, die bei unterschiedlichen Personen unterschiedliche
Reaktion hervorrufen, „Sport“ zum Beispiel.
Und es gibt Wörter, die in unserer Gesellschaft überwiegend negativ behaftet sind. Ein prominentes Beispiel ist „Fehler“.
Der Duden definiert Fehler als „(…) 1b. irrtümliche
Entscheidung, Maßnahme; Fehlgriff; 2a. schlechte Eigenschaft, Mangel. Verben
die einhergehend damit verknüpft sind, sind „scheitern“ und „versagen“.
Kein Wunder, schon in der Schule lernen wir, dass ein Fehler etwas negatives
ist. Diktate, in denen Rechtschreibfehler gezählt und bewertet werden, sind schuld
für dessen schlechten Ruf. Auch in allen anderen Fächern sind in Lernkontrollen
darauf ausgelegt, Fehler zu identifizieren und mit schlechten Noten negativ zu
bewerten. „Kontrolle“ – ein weiterer Begriff, der dadurch negative
Assoziationen auslöst.
Getrimmt in der Schule darauf, uns auf Fehler zu konzentrieren und nicht auf Erfolge („Super, du hat 5 von 6 Mathematikaufgaben richtig gelöst“), schleppen wir diese Einstellung fortan in unserem Leben mit und konzentrieren uns darauf, möglichst keine Fehler zu machen.
Und weil wir keine Fehler machen wollen, gestehen wir diese auch keinen anderen ein – womöglich sind wir sogar erleichtert, wenn wir bei jemand anderem einen Fehler entdecken. (Na, fühlt sich jemand ertappt?)
Ihr wisst bestimmt schon, worauf ich hinaus will: Wir fokussieren uns auf „Fehler“ im negativem Sinne und auf Schuldzuweisungen anstatt uns auf die Zukunft zu konzentrieren und daraus lernen – denn der Fehler ist ja schon passiert, ändern kann man eh nichts mehr daran und wer weiß, wozu dieser gut war?
Zwei Beispiele:
Ich bin auf Diät. 5 Stunden habe ich diese erfolgreich durchgehalten, bis mir die süße mächtige Sahnetorte beim Bäcker dazwischen kam… Frechheit, das wäre mir nicht passiert, hätte die freundliche Dame hinter dem Tresen diese nicht direkt vor meine Nase gestellt. Und hätte es in der Kantine etwas Gesundes zu Essen gegeben, hätte ich sicherlich widerstehen können und und und.. Während ich mich über alle anderen ärgere, esse ich wütend aus Versehen eine ganze Packung Chips. Darüber hinaus vergesse ich, mir für den nächsten Tag etwas Gesundes einzukaufen, damit wir das Ganze nicht noch einmal passiert.
Im Projekt: Es wurde ein wichtiger Stakeholder nicht über den Projektfortschritt informiert und ist nun verärgert. Der Druck in allen beteiligten Abteilungen steigt. Wie konnte das passieren? Wer ist schuld? Drei Jahre alte Mails werden herausgekramt, die vorsichtshalber als vorausschauendes Beweismittel aufgehoben wurden. Der Streit eskaliert, alle beschuldigen sich gegenseitig. Vor lauter Diskussion wird ein wichtiger Meilensteintermin verpasst und auch in Zukunft wird der Stakeholder nicht besser informiert. Denn es sind alle viel zu sehr damit beschäftigt, den Fehler bei anderen zu suchen.
Beide Beispiele sind natürlich bewusst überspitzt formuliert aber ein Fünkchen Wahrheit erkennt ihr darin, oder?
Denke, das Fazit ist klar: Wenn wir uns so auf Fehler – also quasi auf die Vergangenheit -konzentrieren, verpassen wir die Gegenwart und verschwenden viel Zeit, die wir besser nützen könnten, um neue Fehler zu machen.
Du hast den vorherigen Satz gerade zweimal gelesen? Dann assoziierst du Fehler also immer noch negativ? Fehler machen ist etwas Gutes – sonst entwickelst du dich nicht weiter! Gewöhn dich lieber gleich dran.
Zugegebenermaßen ist es ziemlich schwer, das alte Schultrauma loszuwerden.
Daher habe ich drei Strategie für dich, die dir dabei helfen, in Zukunft selbstbewusst zu failen:
#1 – Definiere Fehler machen als ausprobieren, lernen und zwar konsequent
Ich habe die Sahnetorte gefuttert? So what, es ist passiert, morgen muss ich mir etwas zum Essen mitnehmen, dass mir das nicht mehr passiert – und lecker war sie ja, immerhin habe ich jetzt gute Laune und habe Lust, neue Rezepte auszuprobieren.
Im Projekt ist etwas anders gelaufen, als geplant? Vielleicht war das sogar gut? Und wenn nicht, dann war es doch gut, dass ihr das jetzt wisst und den Fehler in Zukunft nicht mehr macht.
Der erste Schritt ist gemacht, denn Ausprobieren und Lernen gehören zum Leben dazu, sonst hätte der Mensch z.B. nie Laufen gelernt, wenn er nicht immer wieder aufgestanden wäre.
#2 – Ändere die Perspektive
Was bedeutet ein Fehler überhaupt? Von der Norm und der Erwartung anderer abweichend? Super, denn wenn alle gleich denken würden, wären Ergebnisse ziemlich einseitig und vorhersehbar. Wirklich neue Wege kann man damit nur schwer beschreiten. Fun Fact am Rande: Das Post-it wurde übrigens auch durch Zufall erfunden – eigentlich suchte man nach einem Superkleber.
Auch wenn du die zwei oberen Punkte beherzigst, kannst du dennoch oft nicht verhindern, dass im Team ein negativer Schuldzuweisungs-Strudel entsteht, denn was sich einmal etabliert hat, ist nur schwer zu durchbrechen. Für diesen Fall möchte ich eine Methodik empfehlen, die ihr in dem Buch „Der Team-Entwickler“1 findet:
#3 – Treibe die Schuldzuweisung ad absurdum
Um im Team gemeinsam zu lernen, dass Schuldzuweisungen zu nichts führen, muss den Schuldzuweisern der Wind aus den Segeln genommen werden, z.B. mit dieser simplen Methode:
Jede Woche gibt es ein schwarzes Schaf, das pauschal an allem Schuld ist. Dazu benennt ihr ein Teammitglied, dass freiwillig alle Fehler auf seine Kappe nimmt, z.B. Sven.
Ein wichtiger Abgabetermin wurde vergessen? Sven ist schuld. Ein anderer Kollege kommt zu spät? Sven ist schuld. Es regnet? Sven ist schuld usw.
Durch dieses Spielchen wird es leicht, die Schuldzuweisungen und Beweismittelrecherche sein zu lassen und sich auf wichtige Termine zu konzentrieren. Schließlich ist ja sowieso Sven schuld, egal was passiert – wie erleichternd. Ihr werdet schnell merken, wie sich die Teamdynamik dadurch ändert. Spaß macht die Methode obendrein auch noch.
Natürlich rotiert der Stab des schwarzen Schafes und jeder darf mal ran. Zudem würde ich euch empfehlen, dass ihr für den Beginn ein selbstbewusstes und von allen geschätztes Teammitglied für die Rolle des schwarzen Schafes auswählt – schließlich geht es darum, allen klar zu machen, dass es wichtiger ist, sich auf das hier und jetzt zu konzentrieren und wie wenig hilfreich dabei der Fingerzeig ist.
Probiert es einfach aus, schlimmstenfalls funktioniert es nicht und dann bin ich schuld. Ist ok, ich kann damit leben ?
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