Was Timeboxing in der agilen Welt bedeutet und wie du damit deinen Haushalt in den Griff bekommst, das erfährst du in diesem Artikel.
Eine der größten Trugschlüsse überhaupt ist die Ansicht, dass agiles Projektmanagement sich vom klassischen dadurch unterscheidet, dass es entspannter ist – weiß man doch am Anfang noch nicht genau, wohin die Reise geht, man kann sich ausprobieren und man muss sich nicht an diese ganzen Regeln halten, die man in der klassischen Projektmanagementausbildung lernt.
Diese Einstellung kann man durchaus haben, allerdings wird dies eher wenig erfolgsversprechend sein. Man startet ja genau deshalb ein agiles Projekt, um z.B. innerhalb kürzester Zeit ein digitales Produkt auf dem Markt zu bringen, dieses am Kunden zu testen und in kurzen Iterationszyklen zu verbessern. Gerade dadurch sind die Terminzyklen kürzer, um schnelle Ergebnisse erzielen zu können. So wird z.B. in SCRUM oft mit 2 Wochen-Sprints gearbeitet.
Rechnen wir also mal kurz mit ein paar Beispielwerten nach:
Nehmen wir nun an, dass eine Besprechung für 60 Min. anberaumt ist, weil man eben zu Besprechungen meist für eine Stunde einlädt. Von den 60 Min. werden in 40 Min. der Zeit belanglose Punkte besprochen/ diskutiert, die zum aktuellen Zeitpunkt wenig Relevanz haben oder um ein anderes Thema gehen – nennen wir diese Zeit einfach mal Abschweif-Zeit. Diese Abschweif-Zeit bewirkt, dass von jedem teilnehmenden Teammitglied 40 Min. der verfügbaren Zeit zur Erreichung des Meilensteins verschwendet werden.
Das heißt, in diesem Beispiel hat die gleiche Anzahl an Abschweif-Minuten in einem SCRUM-Projekt den 4-fachen Effekt auf die verbleibende Zeit im Vergleich zum klassischen Projekt.
In der Folge ist Zeit wesentlich wertvoller und muss gut eingeplant werden. So betrachtet sollte also eine Teambesprechung in einem agilen Projekt eher 15 Min. dauern anstatt 60 Min .(ich könnte jetzt auf Daily Meetings etc. eingehen, das sprengt aber den Umfang meiner verfügbaren Zeilen und wäre vor allem Abschweif-Zeit..).
Das bedeutet jedoch auch, dass das Team sehr konsequent mit der verfügbaren Zeit umgehen und schnell auf den Punkt kommen muss. Und somit landen wir beim Begriff „Timeboxing“ der nicht anderes bedeutet, als dass man konsequent einen festen Zeitrahmen einhält (= Timebox). Timeboxes kann man auf allen Ebenen einsetzen, z.B. für die Redezeit eines Teammitglieds, die Gesamtzeit eines Meetings oder auch in Design Thinking Workshops für eine Aufgabe oder eben für die Einhaltung eines Sprints.
Jetzt ist es nicht so, dass das Thema Zeitmanagement in klassischen Besprechungen / Workshops nicht schon immer gegeben hat. Oft wird sogar ein sogenannter Zeitmanager ernannt, der die verfügbare Zeit im Blick hat und bei Zeitüberschreitung mit mehr oder weniger großem Erfolg ermahnt.
In agilen Projekten muss jedes Teammitglied konsequent seine verfügbare Zeit einhalten. Das ist gerade am Anfang nicht leicht und erfordert die Konzentration auf das Wesentliche.
Meiner Erfahrung nach kann dabei die Visualisierung der noch verfügbaren Zeit wesentlich dabei helfen – vor allem in Workshops mit Teamarbeit habe ich sehr gute Erfahrung damit gesammelt. Ein einfaches aber funktionierendes Tool ist dabei der Time Timer, der nichts anderes macht, als die restliche verfügbare Zeit darzustellen. Ist der Timer abgelaufen, ist die Zeit vorbei. Konsequent.
Ich erkläre mir den Erfolg dieses simplen Tricks damit: Ist ein Mitarbeiter als Zeitmanager ernannt, trägt er die Verantwortung für die Einhaltung der Zeit, d.h. alle anderen nehmen eine passive Rolle ein. Überträgt man diese Verantwortung dem Team, so sind alle Teammitglieder aktiv eingebunden. Läuft nun dabei auch noch eine Uhr rückwärts, so gibt das den entscheidenden Motivationsschub, um rechtzeitig zum Ergebnis zu kommen. Der Time Timer geht nur bis 60 Min, jedoch ziehe ich ihn selten länger als 15-20 Min auf, sonst ist zu viel Spielraum für Abschweif-Zeit. Auch 3 Min lassen sich gut damit visualisieren.
So, viel über Timeboxing geschrieben, aber wie kann ich mir diesen Effekt nun auch daheim zu Nutze machen?
„Haushalt“ – ein Wort, an das ich persönlich ungern denke. Aber genau da zahlt sich konsequentes Timeboxing auf das Ergebnis aus.
Kennst du die folgende Situation? Es kündigt sich in 15 Min. überraschend Besuch an – deine Wohnung ist aber nicht wirklich vorzeigbar. Im Turbomodus fängst du an aufzuräumen und schaffst tatsächlich mehr Ergebnis als sonst in der ganzen Woche.
Warum? Der Timebox-Effekt hat zugeschlagen: Ich habe nur sehr wenig Zeit und muss mich auf das Wesentliche konzentrieren und kann mir keine Abschweif-Zeit, wie z.B. dem Durchblättern der gefundenen Zeitschrift leisten.
Warum also diesen Effekt nicht zum System machen? Und so geht’s:
Gebe dir für jeden Raum 5 Min. Aufräumzeit. Stelle dir den Timer von deinem Smartphone auf diese Zeit ein und ziehe diese 5 Min. konsequent durch – d.h. du musst dir deine Tätigkeiten so einteilen, dass du auch wirklich ein optisches Ergebnis erzielst. Nach Klingeln des Timers gehst du in den nächsten Raum und machst sofort weiter – ohne Abschweife und ohne Nachzudenken.
So hast du eine 4-Zimmer Wohnung in 20 Min. aufgeräumt. Wenn du das regelmäßig machst, kannst du dich nach und nach auf 3 Min. steigern. Oder die Methode variieren: Du kannst gerne auch mit deinem Partner zusammen einen Raum aufräumen oder ihr arbeitet parallel in 2 verschiedenen Räumen mit dem gleichen Timer, das motiviert zusätzlich.
Hast du dich an die konsequente Umsetzung gewöhnt, kannst du das Thema auch in verfügbaren Zeitslots erledigen: Du musst erst in 10 Min. aus dem Haus? Da schaffst du noch 2-3 Räume! Werbepause im TV? Ab sofort gut ausgenutzt.
Der Vorteil des Ganzen: Wir lernen, uns selbst gegenüber konsequent zu sein. Mit kleinen Zeithäppchen wie 5 Min. geht das auch einfacher, als wenn wir uns z.B. vornehmen, 1,5 Std. Haushalt zu machen und schaffen wahrscheinlich fast genauso viel – eben wie bei einem Meeting, das nur 20 Min. statt 60 Min. dauert. Und in der freiwerdenden Zeit können wir uns auf das Wesentliche konzentrieren – sei es die Erreichung des Sprints in einem Projekt oder eben das Lieblingshobby oder ein kleines Nickerchen auf der Couch oder einem aktiven Timeboxing für die tägliche Sporteinheit.